Erkundungen zum Naziübergriff in Eidelstedt – Polizei schließt rechtes Motiv aus

Bei einem rassistischen Übergriff am 17.03.2019 in Eidelstedt ist ein 31 Jahre alter Mann rassistisch beleidigt und dann mit Tritten malträtiert worden. Der Mann musste im Krankenhaus an der Wirbelsäule operiert werden. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf. Zwei Monate später teilte die Polizei in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage von Christiane Schneider mit, dass dieser Übergriff von den Ermittlungsbehörden nicht als „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ eingeordnet wird. Im Wortlaut heißt es: „Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen konnte die erfragte politische Motivation ausgeschlossen werden.“

Wir fragen uns wie es zu so einer fatalen Fehleinschätzung kommen kann, wo doch die betroffene Person berichtete, dass dem gewalttätigen Angriff rassistische Beleidigungen vorangegangen waren. Wenn ein solch offensichtlicher Fall von rechter Gewalt nicht als politisch motivierte Tat eingeordnet wird, bleibt nichts anderes übrig als die Statistiken der deutschen Ermittlungsbehörden grundsätzlich in Frage zustellen. Der Vorfall verdeutlicht einmal mehr wie Menschen mit Migrationshintergrund dem Unwillen des deutschen Rechtsstaates rechte Übergriffe auch als solche zu verfolgen ausgeliefert sind.

Eidelstedt ist in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Tatort von Rassist*innen und Nazis gewesen. Wie z.B. die Eimsbütteler Nachrichten berichteten, wurden in den vergangenen Monaten mehrfach Hakenkreuze im Bürgerhaus geschmiert. Im Eidelstedter Bürgerhaus wurde vom 20.03. bis zum 10.05.2019 die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ gezeigt. An zwei unterschiedlichen Tagen wurden die Ausstellungstafeln mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Tafeln thematisierten die Biografien und nannten die Namen der Opferfamilien des NSU. Wie eine weitere kleine Anfrage ergab, ermittelte die Polizei die Täter*innen nicht.

Angesichts der Vorfälle der letzten Monate gilt es Eidelstedt im Auge zu behalten und den Cops auf die Finger zu schauen. Der Polizei ist nicht zu trauen und Antifa bleibt Handarbeit!

Solidarität mit Refugees in Sasel und überall

Gegen die fadenscheinige Instrumentalisierung der Geschichte Sasels als Tatort nationalsozialistischer Verbrechen und gegen die Verhinderung von Wohnraum für Geflüchtete.

Im Sommer 2017  erließ die Stadt Hamburg einen positiven Bauvorbescheid für den Grünstreifen zwischen dem Feldblumenweg und dem Mellingburgredder in Hohensasel. Es sollen dort Wohnungen für Geflüchtete und Obdachlose entstehen. Sasel läge wohl nicht in Deutschland, wenn  sich nicht auch hier der rassistische Unmut gegen die zukünftigen Bewohner*innen bereits im Vorfeld gegen das Bauvorhaben an sich richten würde. Damit ist Sasel auch in Hamburg nicht allein. In Harvestehude und Blankenese versuchten Anwohner*innen u.a. mit vorgeschobenen bau- und umweltrechtlichen Klagen, aber teils auch auf handgreifliche Weise die Einrichtung von Geflüchtetenunterkünften in ihren wohlsituierten Wohnvierteln zu verhindern. Eine rassistische Motivation hinter der Opposition gegen die Wohnungen für Schutzsuchende in der eigenen Nachbarschaft stritt man freilich auch dort vehement ab. Dennoch brachen sich die rassistischen Ressentiments von Anwohner*innen in Blankenese und Harvestehude in zahlreichen Interviews mit Journalist*innen Bahn: „Überall, nur nicht hier!“ lautete der Leitsatz der besorgten Bürger*innen, zumal angeblich auch die Geflüchteten selbst von einer Unterbringung in anderen Stadtvierteln profitieren würden.
In Sasel mutet die Gemengelage im Vergleich noch absurder an. Auch hier beriefen sich die „asylkritischen“ Nachbar*innen zunächst auf den Naturschutz, um die Bebauung des besagten Grünstreifens zu verhindern. Spätestens seit dem Frühjahr 2018 behaupten Anwohner*innen, dass sich auf dem designierten Baugrundstück ein Außenlager des KZ Neuengamme befunden habe. Seit Ende Oktober 2018 tritt die „Initiative Gedenkstätte KZ-Hohensasel“ öffentlichkeitswirksam mit einer Kampagne gegen die Geflüchtetenunterkunft und für eine Gedenkstätte in Erscheinung. Tatsächlich gab es in Sasel ab dem 13.10.1944 ein Neuengammer Außenlager, in dem 500 vorwiegend jüdische Frauen aus Polen inhaftiert waren. Die Frauen mussten Zwangsarbeit für die Firmen Möller, Kowahl & Bruns, Wayss & Freytag und die Firma Moll leisten. Sie kamen beim Bau von Behelfsunterkünften in Poppenbüttel und Wandsbek zum Einsatz und wurden gezwungen aus Trümmerschutt Betonplatten herzustellen. Mindestens 35 Häftlinge starben im Außenlager Sasel an Hunger, Krankheit, Misshandlung oder Erschöpfung.
Geflüchtete auf dem Gelände eines ehemaligen KZ unterzubringen hätte in der Tat wohl mehr als einen faden Beigeschmack, obwohl es auch nicht das erste Mal wäre, dass deutsche Behörden so etwas planten. So ging im Jahr 2015 der Fall der Stadt Schwerte durch die Medien, da diese Geflüchtete in einer alten Baracke auf dem Gelände eines früheren Buchenwalder Außenlagers einquartieren wollte. Das Engagement der „Initiative Gedenkstätte KZ-Hohensasel“ für einen Gedenkort wäre also vielleicht sogar zu begrüßen, gäbe es nicht einen entscheidenden Haken: Das Saseler Außenlager des KZ Neuengamme befand sich gar nicht auf dem umstrittenen Grünstreifen, sondern auf einem heutzutage bebauten Stück Land ein wenig weiter östlich, wie auch Historiker*innen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bestätigten. Das fadenscheinige geschichtspolitische Engagement der Initiative dient den rassistischen Nachbar*innen also lediglich als Instrument um Geflüchtete vom eigenen Stadtteil fernzuhalten. 
Dass die Initiative sich erst jetzt für eine Gedenkstätte einsetzt, wo sich mit einer solchen unter Umständen der Zuzug von Geflüchteten nach Hohensasel verhindern lassen könnte, hätte eine*n bereits vorher stutzig machen können. Hierin manifestiert sich die Bigotterie des deutschen Selbstverständnisses als Aufarbeitungsweltmeister: der Wille zur Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Shoa ist so lange gegeben, wie er Deutschland einen Nutzen verspricht, wie auch in anderen Zusammenhängen deutlich wird. In Israel lebt ein Viertel der Shoaüberlebenden unterhalb der Armutsgrenze. Während Deutschland sich an einem kostspieligen, aber repräsentativen Holocaustmahnmal im Herzen Berlins als Symbol und Beweis deutscher Läuterung ergötzt, werden in wenigen Jahren viele der letzten Überlebenden der Shoa in Armut gestorben sein. Auch in Sasel werden die deutschen Nützlichkeitserwägungen deutlich: Die ehemalige KZ-Insassin und Überlebende des Lagers in Sasel, Lucille Eichengreen, erinnert sich gegenüber der ZEIT, dass die Anwohner*innen in Sasel sich stets gegen eine Gedenkstätte gewehrt hätten, da eine solche nicht zu ihren schönen Villen passe. In der Abwägung gegen eine Unterkunft erscheint den rassistischen Nachbar*innen eine KZ-Gedenkstätte nun allerdings das kleinere Übel zu sein und besser zu den schönen Villen zu passen als Refugees oder Obdachlose.
Auch das Verhältnis zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus ist der „Initiative Gedenkstätte KZ-Hohensasel“ instrumentell. Während sie auf ihrem Twitteraccount zahlreiche Artikel zum generellen Anstieg des Antisemitismus in Europa postete, scheint der Fokus ihrer Angehörigen insbesondere auf dem muslimischen Antisemitismus zu liegen. Gegenüber der ZEIT sagte Gudrun Bischoff von der Initiative es könne nicht angehen, dass man auf dem Gelände, das sie fälschlicherweise als jüdischen Friedhof begreift, syrische Geflüchtete ansiedeln wolle, „obwohl sich doch Juden und Moslems spinnefeind sind“. Die Geflüchteten, die laut Bischoff bald nach Sasel kämen, werden so ohne Unterscheidung zu Muslim*innen und zu geborenen Judenfeind*innen erklärt und essentialisiert. Der Antisemitismus der deutschen Täter*innen zu Zeiten des Bestehens des Lagers und der Antisemitismus der aufarbeitungsunwilligen Saseler*innen nach dem Krieg bleibt hingegen völlig unbeleuchtet. Auch die Homepage der Initivative äußert sich fast gar nicht hierzu. Darüber hinaus bediente sich Bischoff von der Pseudogedenkinitiative gegenüber der ZEIT sogar selbst antisemitischer Motive. Als letztes Mittel zur Verhinderung bringt sie ins Spiel den Zentralrat der Juden einzuschalten, ganz als ob dieser in solchen politischen Entscheidungen tatsächlich das letzte Wort hätte und es sich hierbei nicht um eine Form des Phantasmas der jüdischen Allmacht handele.
Ein solches Verhältnis zum Antisemitismus ist dem der Alternative für Deutschland (AfD) nicht unähnlich. Während erklärte Antisemit*innen in den Reihen der Partei hofiert und gedeckt werden – ganz so als gäbe es den Antisemitismus der Deutschen gar nicht (mehr) –, skandalisieren Parteigänger*innen der AfD den „importierten“ Antisemitismus hier lebender Muslim*innen umso vehementer. So vermittelt auch die Saseler Initiative letztlich das Bild, dass der Antisemitismus in erster Linie ein „orientalischer“ Import sei, wobei sich das KZ-Außenlager als Tatort antisemitischer Verbrechen doch gerade inmitten der eigenen Nachbarschaft befunden hat und gerade diese Nachbarschaft über Jahrzehnte keinerlei Interesse hatte sich damit auf eine angemessene Weise auseinanderzusetzen. Die Initiative hob stattdessen sogar in ihrer ersten Pressemitteilung vom 05.11.2018 die angeblich so „historische“ und „lebendige Erinnerungskultur“ in Sasel hervor. Damit befindet sie sich im Widerspruch zu den oben bereits angeführten Äußerungen Lucille Eichengreens, für die zu sprechen die Initiative vorgibt, ohne dass sie jemals Kontakt zu ihr aufgenommen hätte. 
„Ein Deutscher ist ein Mensch, der keine Lüge aussprechen kann, ohne sie selbst zu glauben“, schrieb Theodor W. Adorno in der Minima Moralia. Ob sich die „Initiative Gedenkstätte KZ-Hohensasel“ ihre Kampagne gegen die Bebauung des Grünstreifens und für eine Gedenkstätte selbst abnimmt, wird vorerst wohl unklar bleiben. Deutsch ist sie angesichts der rassistischen Zuschreibungen, die Vertreter*innen der Initiative über ihre geflüchteten potentiellen Nachbarn äußerten allemal. Deutsch ist ihr Missbrauch der Geschichten überlebender Frauen des KZ-Außenlagers Sasel für rassistische Zwecke, deutsch ist ihr inhalts- und schmerzloses Pseudogedenken ohne die Benennung der Täter*innen und deutsch ist auch den Antisemitismus immer bei Geflüchteten zu sehen und völlig blind zu sein für den Antisemitismus der ach so geläuterten Deutschen. 
Die Initiative fordert in ihrer bereits erwähnten Pressemitteilung, „dass die Rolle des Stadtteils Sasel im damaligen Dritten Reich weiterhin sorgsam sowie korrekt gewürdigt (sic!) wird.“ Es braucht aber einen gedenkpolitischen Bruch und konsequenten Antirassismus.

Wir fordern alle Saseler*innen dazu auf, sich zu der geschichtsfälschenden „Initiative Gedenkstätte KZ-Hohensasel“ und zu rassistischen Nachbar*innen, wie Gudrun Bischoff, zu verhalten und sich solidarisch mit den zukünftigen Bewohner*innen einer Unterkunft zu erklären.

Nach 5 Jahren NSU-Prozess: Kein Schlussstrich!

Am 11. Juli wird das Urteil im NSU-Prozess gesprochen. An diesem Tag gibt es Bundesweit Aktionen und Demonstrationen für eine weitergehende Aufklärung des NSU und der gesellschaftlichen Verhältnisse, die diesen möglich machten.

Auch in Hamburg:

Kundgebung am Mittwoch den 11. Juli, 18 Uhr, Alma-Wartenberg-Platz, Hamburg-Altona.

Demonstration am Samstag den 14. Juli, 14 Uhr, Hansaplatz.

Abschiebungen verhindern! In Ellwangen und überall!

In der Nacht vom 30.04. auf den 01.05. wurde aufgrund solidarischen Handelns die Abschiebung eines Geflüchteten in Ellwangen/Baden Württemberg verhindert. Die Staatsmacht reagierte mit aller Härte und stürmte daraufhin die Unterkunft, wobei es zu Verletzten und mehreren Festnahmen kam.

Das solidarische Handeln führte zu massiver Repression. Allen Menschen, die sich der Exekutive in den Weg stellen, wird mit sofortiger Abschiebung gedroht.

Die Geflüchteten-Unterkunft Ellwangen wird in den Medien als rechtsfreier Raum degradiert, um die Solidarität zu kriminalisieren. Das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit der Geflüchteten wird vom Staat als Auflehnung gegen das deutsche Rechtssystem aufgebauscht, um die rechte Stimmungsmache weiter anzuheizen.

Horst Seehofer nennt das Verhalten der Geflüchteten einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“. Mit diesem Handeln der Innenpolitik zeigt Seehofer auf, dass es keiner AFD im Bundestag bedarf, um rechte Politik zu machen.

Die mediale Aufmerksamkeit liegt aktuell ausschließlich bei der gewaltsamen Auseinandersetzung und verkennt damit die Lage der Geflüchteten in Deutschland.

Wir solidarisieren uns mit den Menschen, die durch ihr Handeln eine Abschiebung verhindert haben.

Abschiebungen verhindern! In Ellwangen und überall!

Solidarität ist unsere Waffe!